Chaya Czernowin

(b. 1957)

mode 77

Afatsim

$14.99

mode 77 Chaya CZERNOWIN: Afatsim – chamber works performed by The Arditti Quartet, Mayumi Miyata (sho), John Fonville (flutes), SONOR, Harvey Sollberger (conductor)

In stock

Afatsim
1. Afatsim – Nonet (1996)   (9:36)
Sonor: John Fonville, bass flute; Susan Barrett, oboe; Robert Zelickman, clarinet; Ivan Raykoff, piano; Steven Schick, percussion; Jáños Négyesy, violin; Pavïkki Nykter, viola; Hugh Livingston, cello; Bert Turetzky, double bass, Harvey Sollberger, conductor
2. String Quartet (1995)   (12:30)
Arditti String Quartet:
Irvine Arditti, violin; Graeme Jennings, violin; Garth Knox, viola; Rohan de Saram, cello
3. Die Kreuzung – Trio (1995)   (10:24)
Mayumi Miyata, u (Japanese mouth organ); Takashi Saito, alto saxophone; Keizo Misoiri, double bass; Fumio Tamura, conductor
4. Dam Sheon Hachol – String Sextet (1992)   (24:24)
Arun Bharali, Erik Ulman, violins; Mary Oliver, Conrad Bruderer, violas; Frank Cox, cello; Ulfar Haraldsson, double bass; Harvey Sollberger, conductor
5. Ina  (1988)   (11:13)
for live solo bass flute and six pre-recorded flutes on tape
John Fonville, soloist and pre-recorded flutes

 

Born in Israel, composer Chaya Czernowin has lived in Germany, Japan and the U.S. Her teachers included Dieter Schnebel, Joan Tower, Brian Ferneyhough and Roger Reynolds.

Czernowin’s sound occupies a unique world. Often many instruments are used to become one “composite” instrument. Time is slowed down, so that the slow flow of sound enables one to perceive the smallest details of a texture or a sound. The resulting music can feel fluid, dense or agitated, at times echoing that of Xenakis and Ferneyhough.

She has been awarded numerous international prizes including: Gaudeamus Composer’s Workshop, DAAD Scholarship (Berlin), Stipendium Preis and Kranichsteiner Musikpreis (Darmstadt), Asahi Shimbum Fellowship (Tokyo), NEA Composition Commission Grant, ISCM and IRCAM commissions.

Czernowin is on the composition faculty of the University of California at San Diego. This is the debut recording of her works.

A special opportunity to hear an exciting voice in New Music.

DEFECTIVE MODE DISCS MAY BE EXCHANGED
Unfortunately, the first pressing of the recent XENAKIS: Percussion Music set (mode 171/3) had some bad edits on disc two during Pléïades. If  you have purchased this set, and the disc two serial number on the label does not read “mode 172R”, then you have the early pressing with the problem edits. Mode will exchange these discs free of charge. Please return only the original disc two (mode 172) to us and we will send you the new, improved version in exchange.

The second pressing of Chaya CZERNOWIN’s “Afatsim” (mode 77) developed a static burst during Track 4 “Dam Sheon Hachol” (at about 23:06). The good thing is that very few of these were actually shipped before the problem was discovered. Again, if you have a defective disc, please return it to us and we will send you a replacement.


Reviews

Chaya Czernowin
Afatsim: Chamber Music

Keine heile Musik ohne heile Welt
Die israelische Komponistin Chaya Czernowin befreit Frauenstimmen
Mode 77

Man meint sie gut zu kennen: jene hechelnden, hauchenden, zischenden, lispelnden, schmatzenden, lustschreierisch sich entladenden, ieden Text zu Silbenmus raspelnden Frauenstimmen. Sie tauchen bei John Cage auf, bei Sylvano Bussotti oder Luciano Berio. Sängerinnen von Cathy Berberian bia Salome Kammer haben sich auf den Hochleistungssport für Kehlköpfe, Stimmbänder. Und nicht selten sind die vokalartistischen Drahtseilakte als Geräusch, Ton, Klang gewordene Hysterie gemeint. Als sich bloß mehr erbrechende Sprache, als Ausstülpung des Innersten. Chaya Czernowin beschreitet diesen Weg gewissermaßen in entgegengesetzter Richtung. Das Schönste, was es für sie gebe, sagt sie, sei, “in die innere Dunkelheit zu sehen”. Diese Perspektive ist ihr wichtig. Denn die Komponistin begreift sich als Beobachterin. Sie wahrt die Distanz – bei allem mutmaßlichen oder tatsächlichen Sichversenken in innere Körper – und Geisteswelten, bei aller Mystik, die man ihr unterstellen könnte. Vielleicht ist es das, was ein Stück wie Shu Hai in an Orchestral Setting für Stimme, neue aufgezeichnete Versionen derselben Stimme, Orchester und Live-Elektronik (von 2000/01) letztlich so deutlich unterscheidet von den Provokationen früherer Jahrzehnte, der Anarchie eines Cage, den Schab- und Schnalzkaskaden eines Lachenmann, den vitalen Klangeinbrüchen und -abrissen eines Wolfgang Rihm.

Auch bei Czernowin haucht und ächzt, presst, stottert und wimmert es gebärdenreich, auch sie krümmt ihren Texten jades nur erdenkliche Haar (in diesem Fall der Gedichtsammlung Shu Hai practices javelin desisraelischen Lyrikers Zohar Eitan). Manchmal aber lässt sie sie auch gänzlich unangetaster, als würde die Sprache in die Musik bloß injiziert (wie in ihren Six Miniatures and a simultaneous song von 1998)-was die Wirkung kaum minder disparat macht. Keine heile Musik ohne heile Welt? Stets haftet Czernowin Musik dabei etwas Schauriges an, etwas Protokoll-und Röntgenhaftes, furchtbar Gegenwärtiges. Man ist geneigt, in ihr eine entfernte Verwandte von Leos Janácek zu sehen, der das Sterben seiner Tochter Olga, an ihrer Bettkante sitsend, gleichsam mitstenografierte order mit einem Notizbüchlein in der Hand den Wellenschlag des Meeres einfangen wollte. Das heißt: Das Unheimliche, der Schreckenskern von Czernowins Musik speist sich aus ebenjener “inneren Dunkelheit”, die für sie das Schöne bedeuter und das Lebendige, und aus der Tatsache, dass die Komponistin gar nicht erst versucht, sich dieser Dunkelheit Uasthetisch und also: mittels Kunst zu bemächtigen, sie zu ergründen oder aufzuhellen. Das heißt auch: Wenn die Vokalsolistin Ute Wassermann in der CD-Einspielung von Shu Hai in an Orchestral Setting ihre Stimmbänder und Lippen tanzen lässt, hört sich das an, als belausche und kompromittiere man sie dabei, als würde man unfreiwilling Zeuge eines intimen Geständnisses. Eines Geständnisses, das sich seinerseits unbelauscht wähnt und also: unschuldig ist. Einer Rede im Raum, die, wie Chaya Czernowin es nennt, auf dem gründet, was keinen Bestand hat und in dieser unheilen Welt keine Wahrheit mehr kennt. “Es geht mir um das, was wie bei Anton Webern zwischen dem Gedanken und dem Objekt liegt”, sagt die Komponistin in ihrem wundersam weichen, ja zärtlichen Deutsch. Und woher nimmt sie die Inspitation für solche Rätsel-Texturen? “Inspiration ist für mich keine Kategorie. Mit diesem romantischen Künstlerinnentum habe ich nichts im Sinn. Ich glaube an Wachheit und Konzentration. Und an die Wahl meiner Texte. Der Weg ist ein Zwang. Ich arbeite immer.”

Chaya Czernowin, Enkelin polnischer Juden, beschloss mit 13 Jahren, Komponistin zu werden und gründete zunächst eine (“ziemlich radikale”) Rockband. Mit 20 brach sie in der Pause von Alban Bergs Wozzeck unvermittelt in Tränen aus-und wusste nicht, warum. Später studierte sie in Tel Aviv, bei Dieter Schnebel in Berlin, außerdem in Tokyo sowie bei Brian Ferneyhough und Roger Reynolds in San Diego/Kalifornien, wo sie heute selbst eine Professur hat. Komponieren, sagt sie, bedeute, “eine Vision zur Gestalt bringen”, und das gelte auch furs Unterrichten: “Ich bin nicht die Therapeutin meiner Schüler. Ich versuche, sie in ihre Freiheit zu entlassen.” Vom Komponieren leben müseen wollte sie nie. Insofern nimmt sich das Ouvre der 45-Jährigen vergleichsweise schmal aus: rund 20 Werke, darunter die Kammeroper Pnima…ins nnere, ein ganz ungefühliges, gespenstisch-klares Psychogramm des Holocaust, das 2000 bei der Münchner Biennale für Neues Musiktheater uraufgeführt und umjubelt wurde. Wo ihre Heimat liegt, fragt man sich angesichts dieser Biografie. In San Diego, antwortet Czernowin und wägt jades Wort ab, weil dort ihre “musikalische Weltanschauung” geprägt worden sei, das Vertrauen in eine unbedingte geistige Offenheit. Und natürlich in Israel, der Familie wegen. Aber auch in Deutscland, “weil es wahrscheinlich der letzte Ort auf dieser Welt ist, an dem man noch experimentieren kann”. Spricht es und beißt in ihr länst erkaltetes Wiener Würstchen. “Wissen Sie, was? Immer wenn ich nach Deutschland komme, muss ich zuallererst ein solches Würstchen essen – ist das nicht komisch?” Czernowin Lachen – kehling, herzhaft, ansteckend.

Sich mit ihrer Musik zu identifizieren ist allerdings schwierig. Die Welt scheint doch eher wieder nach Trost, nach Lösung und Erlösung in der Kunst zu verlangen. Chaya Czernowin weiß das. Obdas gleichsam rohe, “unkultivierte” Material in Shu Hai Mitamen Behatalat Kidon (zu Deutsch: Shu Hai übt Speerwerfen), dem dritten Stück der CD, welches den beiden anderen gewissermaßen zugrunde liegt, nun auf einen extrem festgezurrten, strengen Satz trifft oder ob die Frauenstimme hier verloren durch nichts als ihre eigenen Echoräume irrt: das Ergebnis dieser störrischen Versuchsanordnungen und Konfrontationen bleibt immer offen.

“Meine Kompositionen benehmen sich, als hätten sie Anfang und Ende”, sagt Czernowin und blinzelt listig, “aber vielleicht haben sie ja weder das eine noch das andere.” Wie zum Beweis schlägt sie Zohar Eitans Gedichte auf, einen Text, der gänzlich frei im Raum schwebt und fast nur aus Bewegung, aus Regieamweisungen und imaginären Kamerfahrten besteht. Das sei kein Gedicht, befinden wir. Czernowin aber strahlt: “Sehen Sie, und genau in diesem Sinne ist meine Musik auch keine Musik!”
— Christine Lemke-Matwey. Die Zeit, Literatur/Musik, Beilage,
March 2003

Chaya Czernowin
AFATSIM
Mode 77

Chaya Czernowin is a 42 year old Israeli-born composer who has studied, amongst others, with Brian Ferneyhough at UCSD. Don’t be fooled by the rather twee cover art and the nice photo: this is gritty stuff, recalling not only her teacher but also Giacinto Scelsi – he would surely have approved of her concept of the ensemble becoming a “single composite instrument” – and Richard Barrett – the imaginative use of non-European instruments: “Die Kreuzung” (after the Kafka short story) uses a u, or Japanese mouth organ, to great effect. There is also a Japanese feel to “Ina”, whose flutes refer more to the shakuhachi of traditional Japanese Court Music than to, say, Ferneyhough’s “Mnemosyne”. Elsewhere, grainy string writing (once more the Arditti Quartet is breathtaking) and throaty wind textures bring Xenakis to mind. Particularly impressive is the slow-motion sextet “Dam Sheon Hachol” (“the bleeding of the hourglass”). A fine album from a composer we should be hearing more of in years to come.
—Dan Warburton, Paris Transatlantic Review, November 2000


Links

Also by Chaya Czernowin on Mode Records:
Chaya Czernowin: Shu Hai Practices Javelin (mode 117)
Pnima…ins Innere: Opera in 3 Acts, (mode 169 DVD)

Also by Irvine Arditti and The Arditti Quartet on Mode Records:
John Cage: Freeman Etudes, Books 1 & 2 (mode 32), Books 3 & 4
(mode 37)
Two4 – versions for violin & piano and sho & piano – with Mayumi
Miyata and Stephen Drury (mode 88)
The Works for Violin 4 – Six Melodies; Nocturne; Two6; Eight
Whiskus; One10 – with Stephen Drury (mode 100)
String Quartets Vol. 1 (mode 17) and Vol. 2 (mode 27)
Five3 (mode 75)
The Works for Violin 5 (mode 118)
The Works for Violin 6, The String Quartets 4 (mode 144/145)
Gerard Pape: Vortex (mode 26)
Le Fleuve du Desir (mode 67; mode 98/99)
Hilda Paredes: Permutaciones; The Seventh Seed (mode 60)
Peter Maxwell-Davies: String Quartet #1 (mode 59)
Bernadette Speach: Reflections (mode 105)
Alvin Lucier: Navigations for Strings; Small Waves (mode 124)
Elliott Carter – Quintets and Voices  (mode 128)

Mayumi Miyata on Mode:
John Cage: Two4 with Irvine Arditti (violin) (mode 88)
John Cage: The Orchestral Works 3 (mode 108)

Harvey Sollberger on Mode:
David Felder: a pressure triggering dreams (mode 89)

The Arditti Quartet Profile
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Arditti Quartet Web Site